Ich bin Atomkraftgegnerin – also stelle ich auch beim LKA Niedersachsen ein Auskunftsersuchen. Ich vermute dass sie da noch etwas gespeichert haben von einer Aktion am Salzbergwerk in Gorleben. Das LKA Niedersachsen teilt mir auch recht schnell mit, dass es einen Eintrag über mich im polizeilichen Informationssystem INPOL gespeichert hat (passend zur Aktion) und mein Auskunftsersuchen weiter leiten würde an die Polizeidirektion Lüneburg, die auch dafür zuständig wäre.
Warum Lüneburg? Schnell stelle ich fest: Gorleben liegt in der Polizeidirektion Lüneburg. Über die Auskunft aus Lüneburg bin ich dann doch einigermaßen überrascht: Eine schöne Tabelle, eingetragen ist so ziemlich jede Personalienfeststellung, die sie in Niedersachsen mal bei mir gemacht haben. Lustig finde ich den Eintrag, der wohl so wichtig ist, dass er auch an das LKA NRW übermittelt wurde: „Im Zuge eines Uran-Bahntransportes … werden am Bahnhof … 2 Linksaktivisten der Anti-Atom-Szene … festgestellt.“ Die Beobachtung von Zügen muss jetzt also auch schon polizeilich überwacht werden? Diese Aktion hatte sich übrigens am anderen Ende von Niedersachsen abgespielt, warum Lüneburg da zuständig bleibt ist mir ein Rätsel.
Soweit so schlecht, ich beantrage also die Löschung der Datensätze, insbesondere des INPOL-Eintrags zu meinem Verfahren, der auch in der Datei „Innere Sicherheit“ des BKA gelandet ist, weil das Verfahren inzwischen eingestellt wurde. Was in NRW problemlos funktionierte (Bericht folgt), endet hier mit einer Ablehnung – „ein Anspruch auf Löschung besteht … nicht“. Ich lege Widerspruch ein und schreibe dem Landesdatenschutzbeauftragten. Die Polizeidirektion Lüneburg erklärt, sie beabsichtige, die Löschung abzulehnen und schickt ein Gerichtsurteil mit, welches sich allerdings nur auf die Vorgangsverwaltungssysteme bezieht. Ich nehme Stellung dazu und begründe, dass sich das Urteil nicht auf die bundesweit abrufbaren Staatsschutz-Dateien bezieht und ich ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe. Der Landesdatenschutzbeauftragte schreibt nur kurz, dass es aus seiner Sicht keine Bedenken gibt und er sich der Polizeidirektion Lüneburg anschließt – ohne jegliche Abwägung oder Begründung. Soviel zum Datenschutz.
Die Polizeidirektion Lüneburg lehnt meinen Widerspruch ab – die Daten werden noch zur „polizeilichen Aufgabenerfüllung“ benötigt. Die erforderliche Rechtsgüterabwägung stellt die Polizeiinspektion Lüneburg auch an: „In diesem Fall treten Ihre betroffenen, schützenswerten Indivualrechtsgüter hinter die durch die Datenspeicherung verfolgten Rechtsgüter der Allgemeinheit an der Strafverfolgung und der effektiven Gefahrenabwehr zurück.“ Ob die Daten tatsächlich zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr beitragen, wird weder belegt noch begründet.
Jetzt bleibt nur noch die Klage, einzulegen innerhalb eines Monats. Ich bin unsicher, ob ich das finanzielle Risiko eingehen soll und ob eine Chance besteht, dass da wirklich was gelöscht wird – außer vielleicht auf dem Papier. Da es nahezu unmöglich erscheint, jemals alle Daten bei den Polizeibehörden löschen zu lassen (ich bin vermutlich auch ein hoffnungsloser Fall) entscheide ich mich schließlich dagegen – ärgerlich bleibt es, denn ich bin nach wie vor von der Rechtswidrigkeit der Speicherung überzeugt.
Aber inzwischen hat die Polizei in Niedersachsen auch schon wieder weitere Einträge. Würde ich bei allen juristische Auseinandersetzungen um die Löschung der Datensätze führen, käme ich zu nichts anderem mehr und da entscheide ich mich dann lieber für Aktionen, zum Beispiel gegen die Brennelementefabrik in Lingen.
Generator für Auskunftsersuchen
Dieser Artikel erschien in der GWR 389.