Klage erfolgreich – Polizei Münster muss Daten löschen

Nach einem drei Jahre dauernden Streit vor dem Verwaltungsgericht Münster löschte die Polizei Münster den Hinweis „Straftäter links motiviert“ zu einer Atomkraftgegnerin aus den auch bundesweit zugänglichen Datenbeständen. An dem Fall werden sowohl die polizeiliche Überwachungs- und Kontrollwut als auch die Schwierigkeiten dagegen vorzugehen offensichtlich. Hier haben wir den zeitlichen Ablauf des Verfahrens dargestellt, bei netzpolitik gibt es einen Artikel, der grundsätzlich Kritik an der Nutzung der personengebundenen Hinweise übt.

2013

Im Rahmen der Polizeimesse IPOMEX in Münster im April 2013 gab es Proteste gegen Polizei- und Staatsgewalt, an denen sich auch die betroffene Person beteiligte. Ein Jahr zuvor hatte die Bereitschaftspolizei aus Münster eine Person, die gegen einen Nazi-Aufmarsch demonstrierte, lebensgefährlich verletzt. Für den Versuch ein polizeikritisches Transparent aufzuhängen wurden insgesamt sechs Personen vor dem Messegelände in Gewahrsam genommen.

Von der Polizei Münster wurde ihr auf ein Auskunftsersuchen hin mitgeteilt, dass im Rahmen dieses Protests ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet wurde und ein personengebundener Hinweis „Straftäter links motiviert“ in den polizeilichen Informationssystemen des Landes NRW und des Bundes gespeichert wurde.

Das Ermittlungsverfahren wurde nach kurzer Zeit eingestellt, weil offensichtlich kein Hausfriedensbruch vorlag. Die Aktion hatte sich vor dem nicht umzäunten Messegelände abgespielt, welches öffentlich zugänglich ist.

2014

Die Betroffene forderte daraufhin im Januar 2014 die Polizei auf, den zugehörigen Hinweis auf ihre Person zu löschen, auch aus dem Grund heraus, dass ein derartiger Hinweis eine Stigmatisierung darstellt und bei Polizeikontrollen regelmäßig zu weiteren Grundrechtseinschränkungen wie Platzverweisen und Ingewahrsamnahmen führt.

Zunächst bearbeitete die Polizei den Löschantrag Monate lang gar nicht, nach einigem Hin- und Her erging dann im Juli 2014 ein Bescheid, dass dem Antrag stattgegeben würde und “sämtliche suchfähig angelegten Daten und Akten” zu der Aktivistin gelöscht wurden. Sie selbst wies die Polizei Münster noch darauf hin, dass die Löschung auch an übergeordnete Behörden wie das Bundeskriminalamt und Polizeisysteme weiter geleitet werden müsse. Daraufhin erklärte sich die Polizei Münster für nicht mehr zuständig, der Antrag werde dem LKA (Landeskriminalamt) zugeleitet. Dieses hatte dann auch zunächst die entsprechende Akte.

2015

Im Januar 2015 erklärte das LKA NRW überraschenderweise, die Akte sei jetzt wieder bei der Kreispolizeibehörde Münster und diese als Datenbesitzer zuständig.

Noch erstaunter war die betroffene Person nach der Aufforderung an die Polizei Münster die Daten endlich gemäß dem Bescheid aus dem Juli 2014 zu löschen: Die Polizei Münster, vertreten durch den Datenschutzbeauftragten Herrn Schoppenhorst teilte ihr im Februar 2015 schließlich mit, dass sie beabsichtigte, den Löschantrag abzulehnen. Dabei macht die Polizei wenig Hehl daraus, dass sie die Daten auf Grund der Gesinnung der (für keinen der Vorwürfe verurteilten) Betroffenen weiter gespeichert werden sollen. So heißt es in dem Schreiben (Fehler im Original):

Insbesondere vor dem Hintergrund Ihres mittlerweile jahrelangen Wirkens im Bereich Links in unterschiedlichen Themenfeldern, mit einem Bezug auf den Bereich Anti-Atom und dem hierbei bekannt gewordenen Schwerpunkt auf Verstößen durch das Nichtanmelden von Versammlungen und Hausfriedensbrüchen in diesem Zusammenhang, lässt insbesondere seit Ihrem Wegzug aus Münster nach [Stadt] und hier vor dem Hintergrund der erheblichen Anreisebemühungen für den aktuell zugrunde liegenden Verstoß dokumentiert, eine Verstetigung ihrer Handlungen feststellen.

Äußerungen in Gerichtsverfahren der Gruppe von Aktivisten, denen Sie zugerechnet werden können, finalisieren auf die Inanspruchnahme von Notwehrrechten bei Aktionen gegen die Nutzung von Atomanlagen, insbesondere gegen Atomtransporte und bilden die Rechtfertigungsgrundlage zukünftiger, gleichgelagerter Aktionen, insbesondere durch ihre Person.

Im März 2015 reichte die Betroffene darauf hin Klage ein und begründete diese vor allem damit, dass die Polizei sich an ihren Bescheid halten müsse und die Daten also entsprechend der Zusicherung gelöscht werden müssten.

In der Klageerwiderung wird die Polizei kreativ und führt sogar ein Verfahren an, welches die Speicherung der Daten begründen soll, bei dem die Angeklagte rechtskräftig freigesprochen wurde, wieder kommt erschwerend hinzu: „Das Verhalten der Klägerin ist unzweifelhaft politisch motiviert.“ Gerichtlich festgestellt nicht strafbares Verhalten wird so aus Sicht der Polizei gefährlich.

Auch während des Verfahrens wird der Klägerin die Einsicht in die Kriminalakte, die über sie geführt wird und von der Polizei herangezogen wird um die Speicherung der Daten zu begründen, verwehrt – die Polizei meint:

Der Klägerin geht es offensichtlich nicht nur um ihr Recht auf informelle Selbstbestimmung. Sie verfolgt mit ihren Eingaben ein politisch motiviertes Kalkül als Aktivistin im linken Spektrum. Ihr geht es darum, die polizeiliche Informationslage aufzuklären, um dann im Gegenzug andere Strategien oder Handlungsweisen im Rahmen der „politischen“ Aktionen durchzuführen. Das erfolgreiche taktische Handeln der Polizei als Strafverfolgungs- und/oder Gefahrenabwehrbehörde könnte somit infrage gestellt werden.

Wie genau die Arbeit der Polizei beeinträchtigt werden soll, wird nicht erklärt. Auch hier werden politische Aktionen per se als strafbar angenommen – das Gegenteil sollte der Fall sein.

2016

Nach 10-monatiger Pause kündigt das Gericht im Oktober 2016 eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren an und schickt eine rechtliche Einschätzung mit, in der die Einschätzung der Klägerin geteilt wird, dass die Bescheide der Polizei vom Juli 2014 so zu verstehen sind, dass sich die Stattgabe auf den ganzen Antrag , insbesondere also auf die an erster Stelle beantragte Löschung des personengebundene Hinweis „Straftäter links motiviert“ bezieht.

Daraufhin wird durch die Polizei Münster die Löschung des personengebundenen Hinweises und auch die Weiterleitung der Löschung ans BKA bestätigt, um so die Klage zu erledigen.

2017

Anfang März 2017 erreicht die Klägerin die Nachricht, dass die Polizei auch der Kostenübernahme der Klage zugestimmt hat. Am Ende steht also auf dem Papier ein Erfolg gegen ausufernde Datenspeicherungen der Polizei. Trotzdem bleibt ein bitterer Nachgeschmack für die Klägerin: „Fast vier Jahre Diskriminierungen durch den personengebunden Hinweis und die Datenbanken der Polizei werden weiter ausgebaut statt eingestampft. Eine politische Gesinnung reicht dabei aus um in die Datensammlungen aufgenommen zu werden und polizeilichen Präventivmaßnahmen unterworfen zu werden.“

 

Pressemitteilung zum Ausgang des Verfahrens:
Polizei Münster muss Daten von politischer Aktivistin löschen

Nach einem drei Jahre dauernden Streit vor dem Verwaltungsgericht Münster löschte die Polizei Münster den Hinweis „Straftäter links motiviert“ zu einer Atomkraftgegnerin aus den auch bundesweit zugänglichen Datenbeständen. An dem Fall werden sowohl die polizeiliche Überwachungs- und Kontrollwut als auch die Schwierigkeiten dagegen vorzugehen offensichtlich.

Auslöser für die Speicherung des personengebundenen Hinweises in den Polizeidatenbanken (INPOL) war eine Aktion gegen Polizeigewalt im Rahmen der Polizeimesse 2013 in Münster. Als im Nachgang kein Gesetzesverstoß festgestellt werden konnte, stellte eine Betroffene einen Antrag auf Löschung des Hinweises und weiterer Daten im Januar 2014. Hintergrund dessen war, dass personengebundene Hinweise bundesweit bei Personalienkontrollen abgefragt werden können und bei Kontrollen beispielsweise im Rahmen von Demonstrationen erfahrungsgemäß zu Durchsuchungen oder Ingewahrsamnahmen führen. Im Herbst 2015 wurde der Antrag positiv durch den Datenschutzbeauftragten der Polizei entschieden und die Löschung der Daten bestätigt. Nach einer Nachfrage behauptete derselbe Datenschutzbeauftragte Anfang 2016, dass der personengebundene Hinweis bei der Löschung nicht gemeint gewesen sei und verweigerte eine Löschung des Eintrags, begründet unter anderem mit dem „mittlerweile jahrelangen Wirken im Bereich Links in unterschiedlichen Themenfeldern“, also kurz mit der politischen Motivation. Daraufhin reichte die Betroffene im März 2015 Klage vorm Verwaltungsgericht ein. Nach viel Hin und Her machte das Gericht deutlich, dass es die Rechtsauffassung teilte, dass die Polizei eine zugesicherte Löschung auch durchführen müsste. Die Daten wurden daraufhin von der Polizei gelöscht, die Löschung im Januar 2017 bestätigt und die Klage am 1.2.17 durch die Klägerin für erledigt erklärt. Lediglich die Frage, wer die Kosten des Verfahrens tragen muss, ist noch offen, aus Sicht der Aktivistin aber die Polizei, denn diese speicherte mehr als drei Jahre die Daten rechtswidrig weiter.

Die Klägerin kommentiert den Ausgang des Verfahrens: „Mit meiner Klage konnte lediglich eine kleine persönliche Einschränkung der polizeilichen Datenspeicherungspraxis erreicht werden. Grundsätzlich gehen hier die Datenerhebungen weiter und werden ausgebaut und – nicht nur im Kampf gegen den sogenannten Terror – zur Überwachung und Verfolgung politischer Gegner*innen genutzt. Rechte zum Datenschutz werden bei dieser Entwicklung hin zum Sicherheits- und Überwachungstaat ausgehöhlt und eingeschränkt. Die Polizei, insbesondere der Staatsschutz (die politische Polizei), fordert neben den Geheimdiensten immer weitere Datenbanken. Dabei erfüllt sie ihre Funktion, die Aufrechterhaltung der Ordnung. Einer Ordnung, die jeden Tage zu Ausbeutung, Unterdrückung und immer totaler werdenden Kontrolle beiträgt .“

Sich gegen die Speicherungen in den polizeilichen Datenbanken zu wehren, erfordert einen langen Atem – hier über drei Jahre und hundert Seiten Schriftverkehr – währenddessen wurde der personengebundene Hinweis bei polizeilichen Kontrollen weiter gegen die Betroffene verwendet.

„Die Gesetze habe ich nicht gemacht, nach denen hier Speicherung, Datenlöschung stattfinden, trotzdem werde ich sie benutzen, um gegen die Datensammelwut vorzugehen. Nicht nur an diesem Fall zeigt sich, dass Freiheit mit Sicherheit stirbt . Die Angst vor auf Datensammlungen basierenden Polizeikontrollen und damit verbundenen Bewegungseinschränkungen zum Gegenteil einer freien Gesellschaft.“

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