„Straftäter links motiviert“ im Datenkarussell

Bei einem Auskunftsersuchen an ein Polizeipräsidium in NRW stellt sich heraus, sie haben einen personengebundenen Hinweis gespeichert: „Straftäter links“. Nicht nur, dass sie nicht mal geschlechtergerechte Bezeichnungen verwenden können – wenn dann bitte „Straftäterin“, sondern sie machen mich auch zum „Straftäter“, obwohl ich noch wegen keiner Straftat verurteilt wurde. Genau wie in der polizeilichen Kriminalstatistik zählen hier nur die eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Auch das absurde Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch auf einem öffentlichen Platz, wegen welchem ich den Eintrag erhalten habe, ist längst eingestellt – der Eintrag im polizeilichen Informationssystem bleibt, die Antwort auf meinen Löschantrag lässt fast ein halbes Jahr auf sich warten.

Währenddessen hat der personengebundene Hinweis weiter reale Auswirkungen: Bei Polizeikontrollen im Umfeld von Demonstrationen purzelt der Eintrag aus den Dateien und hat polizeiliche Anders-Behandlung zur Folge. Manchmal bedeutet er auch den Unterschied zwischen Platzverweis oder direktem Mitnehmen zur Wache. Dann kann ich zwar hinterher feststellen lassen, dass das rechtswidrig war, praktisch erspart mir jedoch nichts ein paar Stunden in einer Polizeizelle. Das bedeutet dann „effektive Gefahrenabwehr“ – die Polizei rechtfertigt rechtswidrige Maßnahmen mit willkürlichen, rechtswidrigen Datenspeicherungen.

Nach vier Monaten erinnere ich die Polizei an meinen Löschantrag (und drohe mit Klage). Plötzlich werden sie ganz eifrig, entschuldigen sich für die verzögerte Bearbeitung und holen Stellungnahmen ein. Dann bekomme ich ein Schreiben, dass sie beabsichtigen den Antrag abzulehnen, weil die Polizei weiterhin einen Restverdacht sieht. Ich schreibe in der Stellungnahme, dass sie mir doch bitte erklären sollen, worin der Restverdacht konkret besteht, bei Hausfriedensbruch auf einem nicht umfriedeten Gelände und finde mich mit dem Gedanken ab, dass ich wohl klagen muss, um den Eintrag wegzubekommen. Die überraschende Antwort kurze Zeit später: Der Datenschutzbeauftragte hat wohl den Datenschützer in sich entdeckt, gibt meinem Löschantrag statt und will gleich sämtliche über mich suchfähig gespeicherte Daten im Polizeipräsdium löschen, die haben einer Überprüfung wohl auch nicht stand gehalten. Ich weise aus meinen Erfahrungen aus Hessen noch darauf hin, dass die Löschung auch an die anderen Dienststellen weiter geleitet werden muss. Die Antwort wieder nach zwei Monaten: Mein Löschantrag wird ans LKA weiter geleitet. Wieso der Antrag und nicht die Löschung?

Während ich noch hoffe, dass der Eintrag doch noch gelöscht wird und die Polizei bei der nächsten Kontrolle nicht sofort wieder darauf stößt und mich mitnehmen will, erfahre ich weitere Details über die personengebundenen Hinweise: Auf eine kleine Anfrage hin erklärte die Berliner Polizei, dass der Eintrag „Straftäter links“ auch schon bei bloßem Verdacht und keineswegs nur bei verurteilten Straftäter*innen gespeichert wird. Auch das BKA hält es für völlig legitim, Personen zu kategorisieren, konkrete Rechtsverstöße sind dabei irrelevant. Bei ihrer Auskunft vertauschten sie erst mal sämtliche Zahlen, ist ja nicht so wichtig, ob 10 Menschen als Straftäter rechts einen Hinweis haben oder 20.000. Etwa eine Million Mal vergaben sie den personengebundenen Hinweis „Betäubungsmittel-Konsument“ und fast 10.000 Menschen gelten – wie ich – als „Straftäter links motiviert“, vermutlich wurden die meisten davon nie auf Grund einer Straftat verurteilt. Aber auch vor so diskriminierenden Kategorien wie „Ansteckungsgefahr“ oder „Geisteskrank“ schreckt das BKA nicht zurück.

Mittlerweile einiges gewohnt, warte ich dann doch geduldig auf die Antwort vom LKA NRW. Sie kommt ziemlich genau ein Jahr nach der Stellung des Löschantrages. Der entscheidende Teil:

Der in ihrem Schreiben … aufgeführte Personenhinweis „Straftäter links motiviert“ besteht weiterhin und befindet sich in der Datenverantwortung der KPB [Ort]. Die zwischenzeitlich bei meiner Behörde zu Ihrer Person vorgehaltene Kriminalakte habe ich der KPB [Ort] zuständigkeitshalber zurückgesandt.

Vor diesem Hintergrund ist mein Haus für die Prüfung des Fortbestandes dieser Kriminalakte einschließlich des Personenhinweises „Straftäter links motiviert“ nicht zuständig.

Diese Dreistigkeit schockt mich dann doch wieder. Sobald mein Löschantrag erfolgreich zu verlaufen scheint und eine Löschung näher rückt, schiebt die eine Behörde Akte und Daten zu der anderen Behörde. Wird die Löschung dann erneut bzw. dort beantragt, schiebt diese Behörde die Daten einfach wieder zurück und das ganze Spiel kann von vorn beginnen?

2 Kommentare

  1. Polizei Münster speichert willkürlich Daten – Klage eingereicht

    […] hatte sich dagegen gewehrt und vom Datenschutzbeauftragten der Behörde selbst Recht bekommen (siehe auch diesen Bericht). Ihr wurde im Juli 2014 per Bescheid des Polizeipräsidiums Münster zugesichert, die Daten zu […]

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